Reimer Eilers
. | Semaphor
Nie war bisher die Rede von einem Semaphor.
Zum Sterben braucht der Reisende einen Fahrplan und eine anständige
Wettervorhersage. Wichtig ist, das Schiff in Cuxhaven nicht zu verpassen,
aber viel schwieriger ist es, das richtige Wetter vorauszusehen. Wenn es
Sturm gibt und das Schiff nicht fährt, kann der Reisende nicht sterben.
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Auch Frühling und Herbst sind nicht
sicher genug, wo es auf den letzten Tag ankommt. Im Frühling wie im
Herbst ist mit anhaltenden Äquinoktialstürmen zu rechnen, wenn
der gesamte Atmosphärenhaushalt sich umstellt. Er wird also das Junisolstitium
abpassen, um zu sterben. Frühmorgens
bestellt er sich ein Taxi zu seiner Hamburger Wohnung. Einmal im Leben
wird er sich diesen Luxus leisten und ein Taxi bis nach Cuxhaven nehmen.
Sie fahren im Westen unter der Elbe hindurch und lassen die Stadt hinter
sich.
An der Alten Liebe in Cuxhaven gibt der Reisende ein gutes Trinkgeld. Das Taxi hat den Fahrplan für seinen Teil eingehalten. Am Kai liegt das Schiff, das der Reisende gleich besteigen wird. Es ist weiß und zeigt mit dem Bug in die Richtung, aus der er gekommen ist. Noch ist nichts entschieden. Auf dem Kai steht ein schwarzes Semaphor. Die ganze Erwartung des Reisenden gilt seiner Windanzeige. Er geht an Bord, wechselt ein paar Worte mit dem Zahlmeister. Die blanke Münze liegt unter seiner Zunge. Das Schiff legt ab, dreht in den Elbstrom und fährt hinaus in die offene See. Hoch ragt das Flügelsignal über dem Ufer auf und schickt dem Reisenden seine günstigen Zeichen nach bis unter den Horizont. |